Offener Brief an die Landesregierung Baden-Württemberg

Offener Brief an die Landesregierung Baden-Württemberg

In einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten Kretschmann und an alle Landtagsabgeordnete Baden-Württembergs fordern landesweit Initiativen und Verbände der Medinetz-Bewegung und der Flüchtlingshilfen und unterstützt von der Landesärztekammer und des Marburger Bundes auf, die Gesundheitskarte für Flüchtlinge einzuführen. Der Sprecher der Initiativen, Jakob Richers, erinnert den Ministerpräsidenten daran: „Nachdem Sie 2015 im Bundesrat der Verschärfung des Asylgesetzes zugestimmt hatten, haben sie im Gegenzug einen verbesserten Zugang zur medizinischen Versorgung in Form einer elektronischen Gesundheitskarte für Geflüchtete versprochen. Dies ist bis heute in Baden-Württemberg auch nicht nur ansatzweise umgesetzt.“

Die 18 Initiativen und Verbände weisen in ihrem offenen Brief darauf hin, dass dafür vom Bund die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden sind und dass in den medizinischen und flüchtlingsbetreuenden Fachkreisen die Gesundheitskarte als sicher und umsetzbar gilt. „Die Gesundheitskarte ist die humane Lösung für die Flüchtlinge und im Grunde auch die beste Lösung für uns alle. Trotzdem wird sie von unserer Landesregierung nicht realisiert.“, so Jakob Richers, Sprecher der MediNetze Baden-Württembergs.

Der offene Brief als .pdf zum Download:

Offener Brief an die Landesregierung Baden-Württemberg.pdf

Im Folgenden der offene Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Baden-Württembergs,

nachdem Sie im letzten Jahr der Verschärfung des Asylgesetzes im Bundesrat zugestimmt hatten, versprachen Sie im Gegenzug einen verbesserten Zugang zur medizinischen Versorgung für Geflüchtete. Sie wollten bundesweit mit der Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte für AsylbewerberInnen, die auch von Sozialverbänden und dem deutschen Ärztetag[1] seit langem gefordert wird, ein Exempel statuieren.

Inzwischen wurden vom Bund die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um landesweit eine Gesundheitskarte einführen zu können. Doch von Ihrer Seite werden nun technische und formale Schwierigkeiten angeführt, welche eine ordnungsgemäße Abrechnung der Gesundheitsleistungen nicht sicherstellen und zu unermesslichen Mehrkosten für das Land führen würden.

Das Problem sei die neueste Änderung des AsylbLG, in der vorgegeben wird, dass der eingeschränkte Zugang zur medizinischen Versorgung elektronisch vermerkt werden soll. Ignoriert wird dabei allerdings, dass in Bremen schon seit 2005 und in Hamburg seit 2012 die Gesundheitskarte für AsylbewerberInnen erfolgreich in der Praxis genutzt wird. Laut Bremer Sozialbehörde wird sie auch weiterhin ohne den stigmatisierenden Vermerk auf der Karte fortgeführt. So könnten auch in Baden-Württemberg alle Asylsuchenden nach entsprechender Auslegung des §6 AsylbLG gemäß des „Bremer Modells“ in die gesetzliche Krankenversicherung eingebunden werden, was eine angemessene Versorgung im „notwendigen Umfang“ § 2 Abs. 4 SGB V ermöglicht.

Weiterhin werden praktizierende ÄrzteInnen durch einen solchen Vermerk auf der Gesundheitskarte in die prekäre Situation gedrängt zwischen PatientInnen mit AsylbLG-konformen und -nicht konformen Krankheiten zu unterscheiden. So fordert der Präsident der Bundesärztekammer Prof. Montgomery die Regelversorgung für Flüchtlinge, da „Ärzte die Verpflichtung [haben], alle Menschen gleich zu behandeln“.[2]

Aber auch das Argument der nicht tragbaren Kosten der Vollversorgung von Flüchtlingen ist unzulänglich: Laut einer Studie[3] des Universitätsklinikums Heidelberg sind die Pro-KopfAusgaben bei eingeschränktem Zugang zum Gesundheitssystem um circa 40% höher als bei Asylsuchenden mit medizinischer Regelversorgung.

Die Gesundheitskarte hat sich nachweislich als sicher, umsetzbar, humaner und günstiger herausgestellt. Wir fordern Sie auf, Ihr Versprechen einzuhalten und die elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge mit Einbindung in die gesetzliche Krankenversicherung jetzt einzuführen, um die medizinisch notwendige Versorgung sicherzustellen und das Menschenrecht auf Gesundheit ohne Diskriminierung in Baden-Württemberg zu garantieren!

Die UnterzeichnerInnen des offenen Briefes an die Landesregierung Baden Württemberg:

  • Aids Hilfe Baden-Württemberg
  • Amalie: Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution
  • Asylarbeitskreis Heidelberg e.V.
  • Asylcafe Mannheim
  • Diakonisches Werk Freiburg e.V.
  • Eine Welt Forum Freiburg e.V.,
  • Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
  • Freundeskreis Asyl Karlsruhe
  • IPPNW Rhein-Neckar
  • KOSI.MA
  • Landesärztekammer Baden-Württemberg
  • Marburger Bund Baden-Württemberg
  • Medinetz Freiburg
  • Medinetz Rhein-Neckar
  • Medinetz Ulm
  • Psychoanalytisches Seminar Freiburg e.V.
  • Rasthaus Freiburg
  • Ulmer Ärzteinitiative – IPPNW Ulm