Kampagnenbündnis fordert: Keine Übermittlungspflicht bei Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus im Gesundheitswesen

Kampagnenbündnis fordert: Keine Übermittlungspflicht bei Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus im Gesundheitswesen

Ohne Angst zum Arzt zu gehen – das ist in Deutschland für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus nicht möglich. Ein Bündnis von über 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen – darunter das Medinetz Ulm e.V, Ärzte der Welt, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, Amnesty International, die Diakonie, Pro Asyl, die Arbeiterwohlfahrt, der Dachverband Migrantinnenorganisationen, die Deutsche Aidshilfe, die Seebrücke – fordert mit der Kampagne „GleichBeHandeln“ daher eine Gesetzesänderung.

Die Coronapandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig das Recht auf Gesundheitsversorgung ist, sowohl für jeden einzelnen Menschen als auch für die gesamte Gesellschaft. Dieses Recht wird jedoch Hunderttausenden in Deutschland verwehrt. Denn der Paragraph 87 des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet das Sozialamt, Personen ohne gültigen Aufenthaltstitel umgehend an die Ausländerbehörde zu melden, wenn sie eine Kostenübernahme für medizinische Leistungen beantragen. Aus der begründeten Angst vor Abschiebung heraus vermeiden es daher Menschen, die teils schon jahrelang in der Mitte unserer Gesellschaft als Nachbar*innen, Kund*innen, Dienstleister*innen und Mitschüler*innen leben, sich ärztlich behandeln zu lassen. Die Folgen: Covid-19-Infektionen werden nicht entdeckt, lebensbedrohliche Erkrankungen bleiben unbehandelt, Schwangere können nicht zur Vorsorgeuntersuchung gehen, Kinder erhalten keine medizinische Grundversorgung.

Die Übermittlungspflicht steht bereits seit vielen Jahren in der Kritik. 2009 wurden Bildungseinrichtungen von der Pflicht, Personen ohne Aufenthaltstitel zu melden ausgenommen, damit Kinder ohne geregelten Aufenthaltsstatus ohne Angst zur Schule gehen können. Nun gilt es, den bestehenden Missstand auch für das Gesundheitswesen zu beseitigen. Das Kampagnenbündnis ist überzeugt: Menschen aus migrationspolitischen Gründen von notwendigen Arztbesuchen abzuhalten, ist inakzeptabel! Auch das Bundesverfassungsgericht hat 2012 entschieden: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

Die Bundesregierung hat sich in verbindlichen internationalen Menschenrechtsverträgen verpflichtet, allen Menschen in Deutschland Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung zu gewährleisten – unabhängig von Einkommen, Herkunft und Aufenthaltsstatus. 2018 hat der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte die deutsche Politik aufgefordert, das Aufenthaltsgesetz zu ändern, damit auch Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen können.

Das Bündnis fordert den Gesetzgeber auf, den Paragraph 87 des Aufenthaltsgesetzes schnellstmöglich zu ändern und ruft alle Parteien auf, sich dafür einzusetzen. Die Petition und weitere Informationen zur Kampagne finden Sie auf www.gleichbehandeln.de.

Recht auf Gesundheitsversorgung gilt auch für Menschen ohne Papiere

Recht auf Gesundheitsversorgung gilt auch für Menschen ohne Papiere

Ulm und Berlin, 4. April 2018.  

Anlässlich des Weltgesundheitstages am 7. April fordert Medinetz Ulm e.V. gemeinsam mit der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität, die Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Papiere zu verbessern. „Der Staat kommt seiner Pflicht nicht nach, sicherzustellen, dass alle Menschen sanktionslos vom Menschenrecht auf Gesundheit Gebrauch machen können“, kritisiert die Bundesarbeitsgruppe. Im Krankheitsfall haben Menschen ohne Papiere große Schwierigkeiten, angemessen medizinisch behandelt zu werden.

Dies dokumentiert die neue Broschüre „Krank und ohne Papiere“, die am 7. April veröffentlicht wird. Darin stellt die Bundesarbeitsgruppe Menschen vor, die sich teilweise schon lange ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhalten und, wie alle anderen in Deutschland lebenden Menschen auch, von Krankheit betroffen sind. Aufgeführt werden Beispiele aus der Praxis von Organisationen und Beratungsstellen wie dem Medinetz Ulm, die seit vielen Jahren unversorgte Menschen ohne Papiere notdürftig und ehrenamtlich dabei unterstützen, medizinische Hilfe zu finden. „Die geschilderten Fälle machen deutlich, dass durch gegenwärtige gesetzliche Zugangsbarrieren ethisch notwendige und rechtlich gebotene Behandlungen verhindert werden. Komplikationen und Chronifizierungen werden in Kauf genommen“, so Robin Schöttke, Vorstandsmitglied des Medinetz Ulm e.V.

Die Autoren weisen zudem daraufhin, dass das skizzierte Problem längst nicht mehr nur Menschen ohne Papiere betrifft. Die lokalen Anlaufstellen werden bundesweit zunehmend auch von EU-Bürgern ohne Krankenversichertennachweis und Nicht-Versicherten ohne Migrationshintergrund aufgesucht.

In der Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität haben sich über 80 Organisationen und Einzelpersonen aus der medizinischen Praxis, aus Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, der Wissenschaft, Kommunen und nichtstaatlichen Organisationen zusammengeschlossen. Viele Mitgliedsorganisationen leisten notdürftig humanitäre medizinische Hilfe für unversorgte Menschen ohne Papiere.

Die Broschüre

Fallsammlung der BAG Gesundheit/Illegalität: „Krank und ohne Papiere“ (pdf)

Diese Pressemitteilung können Sie hier als pdf-Datei abrufen.

Ansprechperson für Journalistinnen und Journalisten:

Robin Schöttke
robin.schoettke@medinetz-ulm.de

Folgende Organisationen stehen hinter der neuen Broschüren „Krank und ohne Papiere“:

img_Fallsammlung_Mitzeichnende-Organisationen
Übersicht aller Organisationen, die die Broschüre „Krank und Papiere“ mitgezeichnet haben.

BAG-Arbeitspapier

BAG-Arbeitspapier

BAG-Arbeitspapier: Das Recht auf Gesundheit gilt unabhängig vom Aufenthaltstitel!

Berlin, Ulm, 07.04.2017

Gesundheit ist ein Menschenrecht!

Link-Arbeitspapier
Arbeitspapier als .pdf

Viele Menschen, die in Deutschland ohne Papiere leben haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Das muss geändert werden!

Anlässlich des Weltgesundheitstages 2017 wollen wir als Medinetz Ulm e.V. gemeinsam mit der Bundessarbeitsgruppe (BAG) Gesundheit/Illegalität auf Missstände aufmerksam machen:

Nehmen Menschen ohne Papiere Gesundheitsleistungen in Anspruch, droht ihnen die Meldung an die Ausländerbehörde und damit die Abschiebung. Gesundheit ist aber ein Menschenrecht. Nirgends im UN-Sozialpakt steht, dass dieses Recht an Herkunft, sozialen oder aufenthaltsrechtlichen Status oder andere Merkmale geknüpft ist. Auch das deutsche Grundgesetz mit seinem Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten verpflichtet Staat und Gesellschaft einen ungehinderten Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Hier wird der Staat seiner Pflicht nicht gerecht.

Nicht alle Menschen können sanktionslos von ihren grundlegenden Rechten Gebrauch machen. Die Zivilgesellschaft ist gefragt, sich für diese gesundheitlich unversorgte Gruppe anwaltschaftlich politisch und praktisch einzusetzen, um für alle Menschen das Recht auf Gesundheit zu verwirklichen.

Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität

Medinetz Ulm e.V. engagiert sich deshalb in der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Gesundheit/Illegalität. In diesem Netzwerk arbeiten Sachverständige aus der medizinischen Praxis, aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Kommunen, nichtstaatlichen Organisationen und der Wissenschaft zusammen.

Vertreten sind lokale Anlaufstellen, aber auch bundesweit tätige Organisationen. Insgesamt umfasst das Netzwerk derzeit über 70 Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen.

Die BAG hat sich zur Aufgabe gemacht, in der Öffentlichkeit und in der politischen Diskussion für einen diskriminierungsfreien Zugang zum Gesundheitssystem für Menschen ohne Papiere einzutreten.

Die BAG Gesundheit/Illegalität hat ein aktuelles Arbeitspapier veröffentlicht, das einen Überblick über rechtliche Möglichkeiten und regionale Praxis-Ansätze gibt:

BAG_Gesundheit_Illegalität_Arbeitspapier_2017.pdf

 

Folgende Organisationen haben das Arbeitspapier mitgezeichnet:

  • Ärzte der Welt e. V. – Doctors of the World Germany
  • Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
  • Deutsches Institut für Menschenrechte
  • Diakonie Deutschland
  • Gesundheit für Geflüchtete, Kampagne von Medibüros/Medinetzen
  • IBIS Interkulturelle Arbeitsstelle e. V., Medizinische Flüchtlingshilfe Oldenburg
  • Jesuiten-Flüchtlingsdienst
  • Deutschland Katholisches Forum Leben in der Illegalität Medibüro Berlin – Netzwerk für das Recht auf Gesundheitsversorgung aller Migrant*innen
  • MediNetz Bremen
  • Medinetz Essen e. V.
  • Medinetz Hannover e. V.
  • Medinetz Hamburg e. V.
  • Medinetz Mainz e. V.
  • Medinetz Marburg e. V.
  • MediNetzBonn e. V.
  • Medinetz Rostock e. V.
  • Medinetz Ulm e. V.
  • Medizinische Flüchtlingshilfe* bzw. das MediNetz Bielefeld

 

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